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Foto: Kilian Breier
Fotogramm 1958/99
aus Katalog: Aspekte deutscher Fotografie nach '45
  Ausstellung
Aspekte deutscher Fotografie nach 1945

Gosbert Adler, Bernd Becher, Hilla Becher, Kilian Breier, Arno Fischer, Thomas Florschuetz, Axel Hütte, Gabriele Nothhelfer, Helmut Nothhelfer, Timm Rautert, Evelyne Richter, Heinrich Riebesehl, Martin Rosswog, Thomas Ruff, Gundula Schulze, Michael Schmidt, Otto Steinert
22.Jänner 1994 - 27.Februar 1994


Schloß Wolkersdorf Schloßplatz 2, A - 2120 Wolkersdorf

Mit dieser Ausstellung wurde versucht, für den Zeitraum von 1945 bis Mitte der 80-er Jahre ein Spektrum deutscher Formsprache in der Fotografie auszumachen, wobei Werke aus dem ganzen deutschen Bundesgebiet in Betracht gezogen wurden.
Die Werkauswahl wurde aus der Sicht der niederösterreichischen Fotoinitiative FLUSS, mit Unterstützung durch Frau Ute Eskildsen von der Fotografischen Sammlung des Folkwang-Museums /Essen, getroffen.
Ein Großteil der ausgestellten Fotografien konnte aus der Sammlung des Hauses Folkwang geliehen werden, ein Teil aus der Stiftung Ludwig- Museum Moderner Kunst Wien, sowie einige Arbeiten direkt von den Künstlerinnen und Künstlern. Es ging bei dieser Auswahl nicht darum, alle Meisterinnen und Meister dieser Zeitspanne zu zeigen; auch wurden nicht einige Gleiche gesucht, die sich in einer ähnlich zu bezeichnenden Form ausdrücken. Es sollte vielmehr mit der verhältnismäßig kleinen Anzahl von 15 unterschiedlichen Autoren ein Spektrum unverwechselbar deutscher Ausdrucksweise vorgestellt werden. Mit Respekt vor den nicht genannten und nicht ausgewählten Autoren und Werken muß auf den gesteckten Rahmen unserer Vorstellungen und Möglichkeiten hingewiesen werden.
Die Auswahl läßt in Ansätzen historische Linien herauslesen, wie z.B. den Brückenschlag von den 30-er Jahren zu den Jahren nach 45 durch die Schule Folkwang mit Otto Steinert, den Einfluß von Bernhard und Hilla Becher oder die VHS-Berlin mit Michael Schmidt und nachfolgenden Generationen. Das expressiv sozialkritische Potential in einigen Fotografien aus dem früheren Osten Deutschlands wirkt vielleicht auf den ersten Blick abgesetzt. Auch hier haben wir als Außenstehende betont deutsche Formqualitäten gesucht.
Uns interessierte in dieser Auswahl das, was man einen deutschen Beitrag zur Entwicklung künstlerischer Anliegen (mit fotografischen Mitteln) in Europa nennen kann.
Deutschland hat auf vielen Gebieten hervorragende und auffällige Leistungen gesetzt. Die deutsche Kunstgeschichte, sowie der hier zu beobachtende vielschichtige Umgang mit Kunst als Mittel bewußter zu leben bzw. das Leben mit künstlerischen Mitteln zu hinterfragen, haben deutliche Spuren in fotografischen Werken der letzten Zeit hinterlassen. Diese Spuren erscheinen als eine Art Koordinaten in einem gewachsenen Kultursystem. Als Nachbarn interessieren wir uns für Informationen in diesen Bildern, die durch eine Präsentation bei uns mit Ähnlichem oder Unterschiedlichem vergleichbar werden.

Die Ausstellung wurde an verschiedenen Orten in Österreich und im Haus der Kunst in Brünn gezeigt.

Termine:
Fotogalerie Wien (Währingerstr. 59, A - 1090 Wien)
19.1. - 26.2.1994, Öffnungszeiten: DI - FR 14-19 Uhr, SA 10-14 Uhr
Dum Umeni Mesta Brna (Malinovskeno nam. 2, CR - 60107 Brno) 8.3. - 3.4.1994
Fotoforum West (A - 6020 Innsbruck) 25.5. - 15.6.1994



Katalog: "Aspekte deutscher Fotografie nach 1945"

     

  Ausstellung
und Podiumsdiskussion zum Thema "Lebensmittel"

Elga h. Reiter, Christine Bruck, Charlotte Gohs, Bernd Hochwartner, Arijana Imsirovic, Carlis Leitzinger, Elisabeth Rastl, Richtex, Christiana Simons
10.April 1994 - 24.April 1994

Eine Veranstaltung im Rahmen von eisstoß 1994
Eröffnung:09-Apr-9415 Uhr
Schloß Wolkersdorf Vortragsaal Schloßplatz 2, A - 2120 Wolkersdorf

Zur Ausstellung "Lebensmittel"
Die ausgestellten Arbeiten entstanden während eines 1-wöchigen Workshops unter der Leitung von Heinz Cibulka. Gemeinsames Thema war der Begriff "Lebensmittel", der sich durchaus nicht nur auf Speisen und Getränke beziehen sollte, sondern auch als ein Mittel zum Leben, als etwas für das eigene Leben wichtig Erscheinendes, aufgefaßt werden konnte. Die fotografischen Ergebnisse dieser Auseinandersetzung, die Umsetzung der Gedanken zum Thema mittels Fotografie, haben sehr unterschiedliche Arbeiten hervorgebracht und zeigten auch die verschiedenen Ansatzpunkte der TeilnehmerInnen.

Erich Richter (Richtex) und Christine Bruck z.B. gehen beide von der Sprache aus, schlagen jedoch in der Aussage und in der Präsentation eine andere Richtung ein.
So hat für Richtex das Wort, die Sprache, die Bedeutung eines Lebensmittels. Er benutzt ein Lexikon für Synonyme, wählt daraus Wörter, die sich auf Lebensmittel beziehen aus und schreibt sie, samt ihren dazugehörigen Ableitungen, die wiederum eine andere Bedeutung haben, von A bis Z geordnet, mittels Computer auf weißes Papier, das in langen Reihen, wie Fahnen, von der Wand hängt.
Diese Schriftbilder werden von fotografischen Bildern (Farbfotokopien) durchbrochen, die Ausscheidungsprodukte, Produkte unserer Verdauung, ohne die wir nicht imstande wären zu leben, darstellen.
Christine Bruck nimmt das moralisierend wirkende Sprichwort "Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen" als Ausgangspunkt für eine Installation, in der sie das auf roten Hintergrund affichierte Sprichwort, gleich einem (politischen) Plakat, als Gegenpol zu einer ironischen Darstellung der "Vertreibung aus dem Paradies" (Plastikobst und -schlange), zur Darstellung einer Beziehung zwischen Mann und Frau, einsetzt.

Zwischenmenschliche Beziehungen sind auch das Thema in den Arbeiten von Arijana Imsirovic. Für sie sind ihre in Bosnien zurückgebliebenen Freunde, Bilder bzw. Fotos von diesen und die damit verbundenen Erinnerungen Mittel zum Leben.

Erinnerungen, Kindheitserinnerungen, dargestellt durch verschwommen erscheinende Kinderbilder und die Mutter (Brust und Nabel), als Ursprung für das eigene Leben, sind für Elisabeth Rastl der Ausgangspunkt für eine mehrteilige Arbeit, in der sie die für sie lebenswichtigen Dinge, teilweise durch Farben symbolisiert, auf ihren Körper projiziert: die Farbe ROT z.B. als Symbol für Blut oder Liebe, BLAU für Luft und Wasser.

Carlies LeitzingerundElga h. Reiter hingegen gehen von menschlichen Organen, vom Herzen bzw. vom Gehirn als "Lebens-Mittel" aus.
Carlies Leitzinger stellt ein Foto vom Herzen und einen Herzabdruck den Abbildungen von "Zeit" (symbolisiert durch das Pendel) entgegen und thematisiert auf diese Weise Leben und Tod.
Das Gehirn als Auslöser für lebenswichtige Bereiche (wie z.B. Sexualität,...) stellt Elga h. Reite in unterschiedlichen Bildkombinationen und mit bildsprachlichen Mitteln dar.

Ebenfalls durch Bildkombinationen visualisiert die Arbeit von Charlotte Gohs die fünf Sinne als Lebensmittel. Apfel (essen) und Wasser (trinken), Symbole für Verführung und Leben, sollen helfen die Sinne zu verdeutlichen. Die kreuzförmig zusammengestellte Bildtafel soll beim Betrachter einen synästhetischen Effekt hervorrufen, soll zu einer Verknüpfung verschiedener Empfindungen führen.
Die "Bildsprache" dieser Arbeit ist auf mehrere Arten "lesbar": so z.B. "versinnbildlichen" die waagerechten Reihen bzw. die mittlere senkrechte unsere fünf Sinne, die unser Wissen und unsere Fähigkeiten, unser Empfindungs- und Wahrnehmungsvermögen beeinflussen. Jedes Foto steht jedoch auch für sich allein für eine Sinneswahrnehmung, kann jedoch durch Verknüpfung mit daneben oder darunter liegenden Fotos wieder eine andere Bedeutung erfahren.

Die Arbeiten von Christiane Simons und Bernd Hochwartner gehen auf "reale" Lebensmittel, also auf Nahrungsmittel, zurück, aber auch gleichzeitig wieder darüber hinaus.
Brot steht bei Christiane Simons nicht nur für irgendein Nahrungsmittel, sondern es drängt sich, nicht zuletzt auch durch die Kombination mit Bildern von Fleisch, angeordnet in kreuzähnlicher Form, die Assoziation zur Bibel (Brot - Fleisch Christi) auf. In den beiden anderen Arbeiten wird den Reproduktionen von Gemälden (von Juan Sanchez Cotán und S. Dali) ein diesen nachgestelltes Foto gegenübergestellt und durch dieses "Abbild vom Abbild" auch die Frage von Echtheit und Künstlichkeit aufgeworfen. Bernd Hochwartner macht das Huhn und das Ei (auch ein Fruchtbarkeitssymbol) zum Mittelpunkt seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Lebensmittel. Das "glückliche Huhn" (verdeutlicht durch am Boden liegende, plastisch wirkende Abbildungen von Stroh und eines Hühnernestes samt Eiern ) und in der Folge das "glückliche Ei" stehen den geschundenen Kreaturen, den Hühnern (und Produkten) aus der Massentierhaltung entgegen und machen derart auf die Umstände bei der Produktion von Lebensmittel und darüber hinaus auch auf damit verbundene Lebensumstände aufmerksam.
(Charlotte Gohs)

Podiumsdiskussion zum Thema "Lebensmittel"
TeilnehmerInnen: Arzt, Bio-Greißler, Futtermittelhändler, Hausfrau,...sowie die KursteilnehmerInnen des Workshops

Der im Rahmen der Veranstaltungsreihe "eisstoß '94" abgehaltene Workshop zum Thema Lebensmittel bildete den Ausgangspunkt für eine Diskussion, in der sich die KursteilnehmerInnen und eigens eingeladene Gäste aus verschiedenen themennahen Berufsgruppen mit dem Begriff "Lebensmittel", der sich nicht unbedingt auf Speisen und Getränke beziehen mußte, sondern auch das Mittel sein konnte, das einem für sein eigenes Leben wichtig erscheint, auseinandersetzten.

Die während des Kurses entstandenen Arbeiten wurden in einer Ausstellung präsentiert. Sie bat den KursteilnehmerInnen die Gelegenheit, ihre Arbeiten aus einer anderen Perspektive als der eigenen zu betrachten und mit den Gesprächsteilnehmern und dem Publikum zu diskutieren.

     

  Ausstellung
Arbeiten zum Workshop "Ostwind im Weinviertel"

28.Mai 1994 - 5.Juni 1994

Eine Veranstaltung im Rahmen von offene Werkstatt 1994

Schloß Wolkersdorf Veranstaltungssaal, Schloßplatz 2, A - 2120 Wolkersdorf


     

Foto: Sabine Bitter
  Ausstellung
Arbeiten der Workshopleiter der Weinviertler Fotowochen 1994

Gottfried Bechtold, Sabine Bitter, Carmen Oberst
25.Juni 1994 - 14.August 1994

Eine Veranstaltung im Rahmen von Weinviertler Fotowochen 1994
Uhr
Schloß Wolkersdorf Schloßplatz 2, A - 2120 Wolkersdorf

Die Ausstellung der Arbeiten von Gottfried Bechtold, Sabine Bitter und Carmen Oberst wurde als eine Art "Vorschau" auf die Weinviertler Fotowochen 1994 (6.8.-27.8.1994) konzipiert und sollte den Kursteilnehmern die Arbeitsweise der Kursleiter näherbringen.

Gottfried Bechtold, Konzeptkünstler, Biennale- und Dokumenta-Teilnehmer, untersucht in seinen Arbeiten die Fotografie in Hinblick auf "Sein" und "Schein", stellt Fragen nach der Beziehung zwischen Realität und Erscheinung, nach Identität. Bechtold war wie viele Konzeptkünstler fasziniert vom Gegensatz von Abbild und Realität, nur hat er den trockenen Exkurs immer gerne gegen visuelle Paradoxien und Bildrätsel eingetauscht. An der Fotografie interessieren ihn weniger die formalen und kompositionellen, also die "künstlerischen" Belange, sondern eher die Untersuchung des Mediums selbst, seine Erkenntnis- oder besser Täuschungsfähigkeiten.

Sabine Bitter, Gewinnerin des Römerquelle-Wettbewerbs 1994, erlernte bei Laurids Ortner in Linz das "umfassende Gestalten", die Grundlagenforschung und den Wechsel der Medien. Viele ihrer Arbeiten beschäftigen sich mit dem fotografischen Erfassen von architektonischen Situationen und Räumen. Ihre pragmatische Arbeitsweise schützt sie davor, die Peripherien der Städte und des Lebens, die sie sehr aufmerksam betrachtet und fotografiert, pathetisch aufzuladen. Das Wahrgenommene wird "visuell weitergedacht", das Ergebnis dieser Arbeit ist das Bild, die Installation.

Carmen Oberst beschäftigt sich in ihren Fotoarbeiten mit Raum und Zeit, mit dem Verhältnis von Prozeß und Ergebnis. Durch Inszenierungen entstandene Fotografien sind der Ausgangspunkt für weitere Bearbeitungen und "chemische Übermalungen". Die durch diese experimentelle und malerische Fotografie entstehenden Bilder sind Unikate und als Erinnerung an einen Prozeß der "Entwicklung" zu verstehen.

Katalog:

     

  Ausstellung
Workshopergebnisse

27.August 1994 - 4.September 1994

Eine Veranstaltung im Rahmen von Weinviertler Fotowochen 1994

Schloß Wolkersdorf Schloßplatz 2, A - 2120 Wolkersdorf


     

Trilobitenauge
aus Katalog:
Sehen und Sein, '94
  Ausstellung
SEHEN UND SEIN
Experimente in eigener Sache


Prof.Dr. Wolfgang Tunner
9.Oktober 1994 - 13.November 1994

Eine Veranstaltung im Rahmen von lese 1994
Eröffnung:08-Okt-9415 Uhr
Schloß Wolkersdorf Vortragssaal - 1. Stock, Schloßplatz 2, A - 2120 Wolkersdorf

Am Tag der Eröffnung fanden Vorträge und Gespräche zum gleichen Thema statt.

Ausstellung und Gespräche
Mit der Ausstellung "SEHEN UND SEIN", die als Grundsatzüberlegung und Thema auch fotografische Praxis und Theorie betrifft, findet die von der Nö. Fotoinitiative FLUSS veranstaltete Reihe "lese" ihre Fortsetzung.

Unter dem Titel "SEHEN UND SEIN" zeigte Prof. Tunner eine Ausstellung mit Ergebnissen seiner Experimente zur Psychologie der Wahrnehmung. Diese wissenschaftlichen Arbeiten wurden in einen bildhaften Erfahrungszusammenhang mit alltäglichen Lebensweisen, philosophischen Erkenntnissen und ästhetischen Einstellungen gebracht. Außerdem zeigten Heinz Cibulka und Hermann Nitsch künstlerische Arbeiten, die in einem direkten Bezug zur Person von Tunner entstanden sind.

Vortragende und Gesprächteilnehmer:
Univ. Prof.Dr. Herbert Bauer, Wien, Neuropsychologie
Univ.Prof.Dr. Hans Belting, Karlsruhe, Kunstwissenschaft
Univ.Doz.Dr.med.phil. Lydia Hartl, München, Medizin und Psychologie
Rudolf Leitner-Gründberg, Bubendorf, Malerei
Prof. Hermann Nitsch, Frankfurt/ Main und Prinzendorf, Aktionismus und Malerei
Univ.Prof.DR. Lutz von Rosenstiel, München, Wirtschaftspsychologie
Fritz Scheuer, München, Malerei
Univ.Prof.Dr. Wolgang Tunner, Krahof/NÖ und München, Klinische Psychologie
Univ.Prof.Dr. Peter Vitouch, Wien, Medienpsychologie

SEHEN UND SEIN
Konzept der Ausstellung
Wolfgang Tunner

Die Ausstellung kam durch Initiative von Heinz Cibulka zustande. Er machte mir den Vorschlag, Bilder und Texte zu Wissenschaft, Kunst und dem alltäglichen Leben zu zeigen, die mir für mein eigenes Verständnis der Dinge wichtig sind. Wie in den Aufsätzen, die ich zur Psychologie und Kunst veröffentlichte, sollte es durch Bild und Sprache zu einer Huldigung der Sinneswelt kommen. Der Zusammenhang von Bild, Idee und Begriff sollte die Einsicht bekräftigen, wie sehr Sprache die konkrete Erfahrung benötigt, um Ausdruck zu gewinnen. Denn Begriffe sind schwach, die nicht im Sinnlichen gründen. Soll diese Erkenntnis in einer Ausstellung mitgeteilt werden, besteht die Gefahr, sich in der Absicht zu widersprechen: Im Vergleich zur tatsächlichen Erfahrung sind Bild und Wort an der Wand abstrakt. Von den wirklichen Beweggründen der Sprache sind sie zu weit entfernt, um der Idee der Ausstellung zu entsprechen. Bilder sind mehr anschauliche Analogie von Begriffen als eine ihrer bildenden Wurzeln. Zwar geben bekanntlich Bilder für die Phantasie vielfältige Anreize, aber sie wirken nicht so sehr auf die Sprache wie auf die Entstehung weiterer Bilder. Das gilt nicht nur für die Kunst, sondern auch für die Wissenschaft, wo Bilder den Gang der Spekulation nicht unbedingt fördern. Außerdem sind die Inhalte wissenschaftlicher Bilder mit bloßem Auge normalerweise nicht sichtbar. Sie sind Bilder des Unsichtbaren. Niemand kann Zellverbände, Moleküle, Elementarteilchen oder Feuersbrünste der Gestirne mit freiem Blick sehen. Erst das apparativ gerüstete Auge macht sie wahrnehmbar und läßt sie als Bilder erscheinen. Es besteht daher die Frage, ob das technisch bewaffnete Sehorgan das Leben in der Welt unmittelbarer Erscheinungen nicht viel eher stört, als seine Intensität zu steigern. Was bringt es, angesichts einer Körperbewegung Bilder der Nervenzellen vor Augen zu habe, die bei dieser Bewegung in Erregung geraten. Es kann sein, daß alle diese indirekt wahrnehmbaren Bilder vom Leben - so wie es mit dem freien Auge erscheint - ablenken.
Vor dem Hintergrund der technisch manipulierten und zu künstlichen Szenarien zusammengestellten Scheinwelten unseres modernen Alltags wirken solche Bedenken allerdings zeitwidrig. Aber trotzdem oder gerade deshalb sind sie von Aktualität.
Denn je mehr Einblick in die Manipulierbarkeit der Wahrnehmung besteht und je größer die Kenntnisse über die Ordnung und das Durcheinander in den Feinstrukturen unseres Gehirns sind, um so stärker wird das Bedürfnis, in einen ganz gewöhnlichen und von der Sonne gereiften Apfel zu beißen. Die bildende und stets zeitgemäße Kraft solcher Bedürfnisse sollte man nicht unterschätzen. - Aber wie dem auch sei, auf was es mir dabei hier ankommt, ist die Mannigfaltigkeit der visuellen Erscheinungen. Auf sie möchte ich hinweisen und sie als solche begreifen. Nicht auf Erklärungen bin ich aus, sondern auf die Gegenwart der Erscheinungen selbst. Es kommt mir dabei - trotz vieler Bedenken - auch nicht darauf an, ob sie mit freiem Auge oder mit technischen oder künstlerischen Methoden sichtbar werden. Einzig die Antwort auf die Frage entscheidet, ob wir einen Weg finden, auf dem die Vielfalt der sichtbaren Welt als ein Ganzes begriffen werden kann. Ein solcher Weg hätte zweifellos große Wirkung auf Leben und Sprache.
Zur Gliederung der Ausstellung habe ich die Bilder und Gegenstände auf Vorgänge bezogen, die man als Experimente bezeichnen kann und die unter ästhetischen Gesichtspunkten geordnet, Einstellungen philosophischer Art erkennen lassen. In diesem Sinne ist die Ausstellung eine Gelegenheit, auf gemeinsame Bereiche von Wissenschaft, Kunst und Philosophie hinzuweisen.

Zur Ausstellung erschien ein 70-seitiger bebilderter Katalog mit Texten folgender Autoren:
Wolfgang Tunner: Konzept der Ausstellung "Sehen und Sein"
Heinz Cibulka: Wolfgang Tunner
Lydia Andrea Hartl: Von der Einheit in der Vielfalt
Hermann Nitsch: Aktion für Wolfgang Tunner
Hans Belting: Das natürliche Wunder
Lutz von Rosenstiel: Wolfgang in der grauen Wüste
Niels Birbaumer: Neurophysiologie von Lernvorgängen
Florian Sundheimer: Wie die Tannennadeln zum Ameisenhaufen kommen



Katalog: lese '94: Wolfgang Tunner "SEHEN UND SEIN"

     
 
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